Hallo zusammen,
am letzten Samstag habe ich meine neue VFR 1200 F in Rot bei Honda Hellenbrand in Neuwied abgeholt. Wie gewohnt habe ich wieder eine sehr gute Einweisung und Betreuung durch Herrn Hellenbrand und sein Team erhalten.
Um die Neue möglichst gut vergleichen zu können habe ich morgens zuerst noch eine Tour mit meiner Fireblade 2009 ABS gemacht. Diese Maschine ist nach wie vor ein phänomenales Motorrad und vielleicht das vielfältigste Sportmotorrad schlechthin. Letztes Jahr bin ich 8.000km mit der Blade gefahren, davon 3.500 km im Urlaub in den westlichen Alpen. Etwas weniger Aufmerksamkeit hat seither meine K1200R, die ich weiterhin habe, zumal ich sie mit einigen Verbesserungen versehen habe: DS Motorsport Tuning, AC Schnitzer Superbikelenker, Sargent Sitz mit Storage-Pod. Beide Maschinen fahren auf Michelin Pilot Power CT2; die VFR wurde auf Dunlop Roadsmart Reifen ausgeliefert. Fahrwerkseinstellung beim ESA der BMW „sportlich“, bei der Blade wie bei der VFR Serie.
Nun zur neuen VFR 1200 F: Gleich nach der Übernahme am Samstag bin ich ca. 160 km auf meinen Referenzstrecken im Hunsrück gefahren, insbesondere etliche Serpentinenstrecken von der Mosel in den Hunsrück hinauf und zurück. Am nachfolgenden Sonntag habe ich die gleiche Strecke nochmal bei Regen und teilweise Sturmböen abgefahren. Die Reifen haben seit gestern keine „Angststreifen“ mehr. Meine ersten Eindrücke sind wie folgt:
1) Ergonomie: Optimal!
a) Trotz fehlender Einstellmöglichkeiten für Griffe und Sitz hatte ich schon beim ersten Platznehmen mit meinen 182cm und 80kg ein Gefühl von „Zuhause“. Es ist weniger „sportlich“ als auf der recht bequemen Blade, fast so komod wie auf der K1200R mit SBL.
b) Einzig der Sitz ist mir zu hart, insbesondere an den vorderen Kanten. Selbst auf dem Komfortsitz der Blade sitze ich auf Dauer bequemer, von dem auf der Rennstrecke wie dem großen Tour traumhaften Sargent „World Sport Seat“ auf der K1200R ganz zu schweigen.
2) Fahrwerk:
a) Auf den von mir gefahrenen drittklassigen Landstraßen hat sich die VFR als nahezu optimal herausgestellt. Gegenüber der Blade spürt man natürlich bei schnellen Wechselkurven das höhere Gewicht deutlich, ebenso beim schnellen Abbremsen vor scharfen Kurven. Gleichwohl liegt die VFR hinsichtlich der erreichbaren Kurvengeschwindigkeiten völlig gleichauf mit den beiden anderen Maschinen.
b) Ein Unterschied macht sich nur in Extremfällen bemerkbar, wie z. B. bei besonders starkem Bremsen vor den besagten scharfen Kurven oder in Kurven mit einem mittleren Radius (ca. 100 – 120km/h) mit schlechtem und welligen Bodenbelag; die Blade zeigt keinerlei Eigenleben und ist in einem unglaublichen Maß jederzeit vertrauenseinflößend; sie liegt wie das besagte Brett, vollkommen unbeirrt, mit etwas Gewicht auf den Fußballen und leicht den Hintern angehoben kann man völlig unerschrocken solche Manöver fahren. Demgegenüber wird die VFR im Extremfall in der Hinterhand ganz leicht unruhig, insbesondere wenn zugleich der Straßenbelag besonders wellig ist und man die Kurve schon in leichter Schräglage noch anbremsen muss. Da verliert sie hinten scheinbar etwas an Führung, ohne dass es jedoch beängstigend ist. Aber im Vergleich zur Blade verlangt sie etwas mehr Arbeit. Die BMW funktioniert an dieser Stelle etwas hölzern und braucht, wie die VFR, etwas mehr Aufmerksamkeit, um das Tempo der Blade zu halten. Die vordere Teleskopgabel ist Top, genau wie bei der Blade.
c) Im Gegensatz zur Blade und zur BMW habe ich bei der VFR etwas Aufstellneigung beim Bremsen in Kurven feststellen können; das ist meinem Gefühl nach auf die Reifen zurückzuführen, da ist die Neutralität des MPP einfach unschlagbar. Andererseits, bei zwei Rutschern mit der VFR auf nassen und mit Dreck verschmutzten Stellen hat die VFR sehr gelassen reagiert, schlicht einen kleinen Versatz zur Seite gemacht und ansonsten keinerlei Unsicherheit aufkommen lassen; sicherlich auch ein Verdienst der durchaus guten Dunlop Roadsmart Reifen.
3) Motor: Eine Wucht!
a) Schon die Geräuschentwicklung ist phantastisch. Sogar meine Frau, die Motorräder ansonsten ablehnt, räumt ein, dass der Klang tiefer und angenehmer klingt als bei den anderen beiden Maschinen. All das, was man sich von einem V4-Motor erträumt, macht die VFR wahr. Ein Gedicht!
b) Ich glaube inzwischen nachvollziehen zu können, was hier und dort als Drehmomentschwäche zwischen 3.000 und 4.000 Umdrehungen "beklagt" wird. In diesem Bereich geht die Maschine tatsächlich weniger dramatisch „ab“ als die K1200R; aber die Art, wie sie „abgeht“ gefällt mir sogar besser. Mir kam während der beiden Fahrten der Vergleich zwischen einem Diesel (ich fahre einen) und einem Turbobenziner (meine Frau fährt einen). Der Diesel kommt zwar einen „Tick“ weniger spontan, dafür aber mächtig und nachhaltig. Das tut zwar auch der Benziner, aber im Alltag ist mir die Leistungsentfaltung des Diesels sympathischer; gerade im zurückliegenden Winter oder bei sonst rutschigen Fahrbahnverhältnissen scheint mir der Diesel einfacher zu fahren zu sein; er fordert weniger Aufmerksamkeit. Zurück zur VFR: Mit ihr geht es mir auch so, da ich es als besonders angenehm empfunden habe, mit ihr durch die Dörfer zu zuckeln, ohne spürbare Lastwechsel (jedenfalls kein Vergleich zur insoweit trotz mehrerer SW-Updates grobmotorigen BMW oder selbst zur Fireblade), und dann von 2.000 Umdrehungen pro Minute hochzudrehen. Andererseits habe ich auch beobachtet, dass ich mit der VFR im Allgemeinen um ca. 1.000 Umdrehungen höher fahre als bei beiden (!) anderen Maschinen, ohne dass ich das Gefühl hatte, auf einer Drehorgel zu sitzen. Im Gegenteil war stets Druck vorhanden und im Übrigen stets angenehm, das Motorengeräusch zu hören. Insofern ist mein Resümee zweifach: Erstens halte ich mich im Allgemeinen seltener im Drehzahlbereich 3.000 – 4.000 Umdrehungen pro Minute auf, und zweitens, wenn ich es denn tue, z.B. bei glitschigen Kurven, ist es sogar positiv für eine sichere Fahrt.
c) Wenn ich mich recht erinnere, war diese Charakterisik (unter der Überschrift „Fahrbarkeit“) eines der Entwicklungsziele von Honda, das m. E. voll erfüllt ist. Mit dem DSG wird diese Frage ohnehin der Vergangenheit angehören, da die Elektronik immer dafür sorgen wird, dass stets der richtige Gang drin ist. (Ich fahre einen Audi Diesel mit DSG und Schaltwippen; diese habe ich nur auf der allerersten Fahrt einmal ausprobiert, seither nie mehr. Ich bin sicher, so wird mir das auch bei der VFR mit dem DSG ergehen, wie wahrscheinlich den allermeisten Fahren auch, seien sie nun betont sportlich oder touristisch unterwegs.)
d) An einer weiteren Stelle wurde die besonders positive Motorcharakteristik deutlich, nämlich dem Wenden auf der Straße mit möglichst kleinem Radius: Mit beiden anderen Maschinen ist das ein nicht völlig einfacher Balanceakt, der Anfänger leicht überfordern kann; beide Motoren neigen dazu, bei zu geringer Drehzahl im 2. Gang schlagartig auszugehen, sind andererseits im ersten Gang sehr ruppig bzw. zu gierig nach mehr. Die VFR hingegen ließ sich auf Anhieb mit kaum mehr als der Lehrlaufdrehzahl fast wie ein Fahrrad wenden, sehr sicher und ohne jedes Unsicherheitsgefühl.
4) Getriebe: Erste Sahne! Das Getriebe ist noch besser als das der Fireblade. Das Schalten rauf und runter geht so präzise und zugleich leichtgängig wie ich es mir nicht mehr besser vorstellen kann. Einzig die Kupplungsbetätigung ist sehr schwer, ich meine zu schwer. Schon nach kurzer Zeit tat mir meine linke Hand weh, obwohl ich nicht ungeübt bin, weshalb ich die Kupplung dann nur noch selten benutzt habe.
Es folgt Teil 2