Bei dem tollen Wetter gestern hatte ich am frühen Nachmittag überhaupt keine Lust mehr, hinter dem Schreibtisch zu hocken und auf der Tastatur rumzuhämmern, also den Wastl-Roller rausgeholt und ab zum Freundlichen mit dem Flügelemblem. Durch einige Benzingespräche aufmerksam geworden, wollte ich mir die NC 750X mit DCT-Getriebe einmal anschauen. Eine Automatik beim Motorrad konnte ich mir zwar bislang nicht vorstellen, ich wollte mir aber hinterher nicht vorwerfen, es nicht wenigstens einmal probiert zu haben und interessiert hat es mich schon, wie sich sowas denn in der Praxis fährt. Gelesen hatte ich im Vorfeld schon einiges darüber, auch daß das aktuelle DCT der dritten Generation erheblich verbessert worden war, neue, zusätzliche Fahrmodi erhalten hatte und nun praxistauglich die richtige Gangstufe vorwählt.
Eigentlich wollte ich erstmal nur probesitzen und vielleicht noch ein paar Infos rauskitzeln, als ich dann auf dem Bock platzgenommen und eine Einweisung ins DCT erhalten hatte, könnte ich doch auch direkt eine Probefahrt dranhängen, so jedenfalls meinte der Händler. Ich mußte mich nicht lange bitten lassen, warum eigentlich nicht, Wetter, Lust und Laune spielten mit, allerdings hatte ich nur das sommerliche Rolleroutfit an, also schnell noch Daheim vorbeifahren und die Mopedklamotten überziehen. Den Starterknopf gedrückt, D-Modus vorgewählt und etwas Gas gegeben. Sanft rollt die NC los, besser hätte ich es mit Kupplung auch nicht machen können, die Gangwechsel erfolgen unmerklich und schnell, werden lediglich mit einem mittellauten klacken registriert, das mit einem leichten jaulen untermalt wird. Vor uns liegt jetzt erstmal ein langer steiler Berg, der nach einer Kurvenkombination zweispurig ausgebaut ist, mal sehen, wie sich die NC darauf so schlägt. Die Honda zieht sauber los und lauert hinter der Dosenkaravane bis sich die zweite Spur auftut, um dann an jener vorbeizustürmen, so die Theorie. Aber upps, - die Winkeländerung der Gashand wird so gut wie garnicht in Vorwärtstrieb umgesetzt, ein Blick auf die Ganganzeige erklärt auch warum. Auf dem kurzen ersten Bergaufstück hatte der D-Modus schon bis in den 5. Gang hochgeschaltet, da konnte mit 55 angespornten Pferdchen auch nicht mehr viel passieren. Also schon die erste Lektion gelernt, D-Modus heißt dahindümpeln und Sprit sparen, also eher was zum cruisen im dicken Gang.
So, zuhaus schnell die Klamotten gewechselt, jetzt konnte es losgehen. Die Peripherie des Stadtgebiets lag schnell hinter uns, jetzt den Blinker links gesetzt und auf kurvenreichem Geläuf hinunter zur Wupper, wo im Landhaus Wupperhof seit diesem Sommer ein sehr guter Grieche seine Gäste in Bergischem Ambiente bewirtet. Jetzt wartet nach dem Überfahren der alten virtuellen Startlinie der Klingenring auf uns. Damit die Fahrfreude nicht wieder dem Dümpel-Modus zum Opfer fällt, habe ich bereits den Sportmodus 3 eingestellt, mal sehen, was der so zu bieten hat. Die Gänge werden nun deutlich höher ausgedreht, beim anbremsen schaltet der Automat selbsttätig einen Gang runter, die Gasannahme erfolgt nun deutlich direkter. Allerdings wählt das DSG teilweise eine andere Fahrstufe als ich manuell geschaltet hätte. Ist zwar anfangs etwas ungewohnt, aber durchaus fahrbar.
Meine Teststrecke ist heute leider mit zahlreichen Baustellen gespickt, hier zeigt sich aber unerwartet eine der Stärken des DSG, Stop and Go-Verkehr wird ausschließlich mit der rechten Hand erledigt, ruckfreies anfahren und abbremsen erledigt sich spielerisch einfach. Kein kupplungsziehen, halten, einkuppeln, auskuppeln, schalten, wieder auskuppeln und Leerlauf einlegen, diese ganze Litanei entfällt völlig. Hier zeigt das DSG seine ganze Stärke und Überlegenheit gegenüber der normalen Schaltbox, Stadtverkehr, Baustellen und Staus verlieren so ihren Schrecken, die linke Hand hat heute frei und wird nur zum blinken benötigt oder um Gleichgesinnte zu grüßen. Lediglich wenn man der "Gierbox" seinen Willen aufzwingen will, werden noch Daumen und Zeigefinger für die manuellen Gangwechsel per Taster benötigt, doch dazu später mehr.
Um die Vergleichbarkeit der gefahrenen Mopeds möglichst zu gewährleisten, ist die Teststrecke wieder gleich, also geht es beim ehemaligen Honda Händler wieder rechts ab Richtung Dabringhausen und dann weiter zum Altenberger Dom. Auf diesem kurven- und abwechselungsreichen Geläuf bergauf und -ab wechsele ich die Schaltmodi mal durch, wie schon erwartet, macht der D-Modus im freien Feld weder Sinn noch Spaß, er taugt nur zum spritsparenden cruisen. Die drei "Sportmodi" sind zwar schon um einiges fahrbarer, die Gänge werden länger gehalten und höher ausgedreht, aber wirklich Spaß macht nur der flotte Dreier, der schärfste. Nach der Ortsdurchfahrt von Odenthal muß ich mich leider hinter einer Blechkaravane einreihen, die von einem landwirtschaftlichen Großgerät angeführt wird. Eigentlich schade, denn das Schild "kurvenreiche Strecke" verheißt ansonsten Fahrspaß im bewaldeten Kurvengeschlängel mit unterschiedlichen Radien. So beschäftige ich mich noch einmal mit den Schaltmodi, allerdings lasse ich "D" wie dümpeln außen vor, das macht beim überholen überhaupt keinen Sinn. Auch der erste Sporti kommt nicht so recht aus dem Quark, der zweite ist zwar schon etwas engagierter bei der Sache, erspart einem aber meist auch nicht das manuelle Eingreifen vor dem Überholvorgang. Lediglich die dritte Sportstufe hält die Gänge auch etwas länger, bis sich eine geeignete Möglichkeit zum ungefährdeten Überholen auftut. Dabei muß man aber immer wissen, das man hier mit einem 55 PS Motorrad unterwegs ist, das keinesfalls so angast wie die VFR mit fast doppelt soviel Leistung. Diesen Unterschied merkt man wirklich deutlich und sollte dies auch bei seinen Fahrmanövern immer vor Augen haben. Nachdem ich gemerkt hatte, das mir der Automat nicht immer die richtige Gangwahl zum Überholen zur Verfügung stellt, habe ich dazu manuell über die beiden Fingertaster am linken Lenkerende eingegriffen. Dies funktioniert aber nur dann gut, wenn ich unmittelbar danach auch gasgeben und beschleunigen will. Hat man aber beispielsweise Streckenkenntnis und weiß, das nach der nächsten Kurve eine Überholmöglichkeit besteht und schaltet dann vor oder in der Kurve schonmal vorsorglich einen Gang runter, so kann es sein, daß das DSG zwischenzeitlich automatisch wieder einen höheren Gang einlegt und einem die Tour gehörig vermasselt. Passiert nicht immer, hat mich gestern aber das eine oder andere Mal geärgert, da ich vor bestimmten Aktionen schon gerne den dazu nötigen Gang im manuellen Getriebe vorgewählt habe.
Nach der Ortsdurchfahrt Bechen geht es wieder ein kurzes Stück über die B506, um dann wieder über kleine kurvenreiche Sträßchen zur sehr schön zu fahrenden parallel verlaufenden Strecke zu gelangen. Liegt der Kreisverkehr am Ortsausgang von Kürten hinten einem, erwartet uns eine sehr schöne, flüssig zu fahrende, kurvige Strasse mit meist wenig Verkehr. Hier ist die NC in ihrem Element und das DSG zeigt, was es kann. Bei zügiger Fahrweise werden die Gänge sauber hochgedreht, die Gangwechsel passen und werden so vorgewählt, wie ich auch mit manuellem Getriebe fahren würde. Einzelne Fahrzeuge zu überholen ist jetzt kein Problem, die vorgewählte Gangstufe paßt jetzt fast immer oder kann mittels Daumendruck kurz korrigiert werden. So im Fluß macht die NC richtig Spaß, Der Motor liefert auch untenrum richtig Drehmoment, darauf ist er abgerichtet, schließlich ist bei etwa 6.500 Umdrehungen auch schon das Ende der Fahnenstange erreicht. Ist ja auch klar: halber Motor, halbe Drehzahl. Auf diesem flüssig zu fahrenden Streckenteil kommt Freude auf, beim gaswegnehmen wird zügig der nächstniedrigere Gang eingelgt und unterstützt zusätzlich mit der Motorbremse den Bremsvorgang, was anfangs etwas gewöhnungsbedürftig ist, hat man den Bogen aber mal raus, kann man diese Eigenschaft aber für sich arbeiten lassen und ein leichtes anbremsen nur durch kurzes gaswegnehmen mit einsetzender Motorbremse erzielen.
So im Fahrrausch ist die alte Hansestadt von Müller-Wipperfürth viel zu schnell erreicht, dank DSG verliert auch die Großbaustelle im Stadtkern ihren Kupplungshandschrecken. Wir müssen also wieder den Umweg über die Bevertalsperre nehmen, wo sich bei schönstem Badewetter noch einige Sonnenhungrige tummeln oder auf dem Wasser segeln. Als Motorradtreff hat die Staumauer jedenfalls ausgedient, ein einziges Zweirad steht sich hier noch die Reifen platt. Jetzt weiter über kleine und kleinste Sträßchen über Dreibäumen, Buchholzen nach Wermelskirchen. Am vorbeifliegenden Golfplatz suchen Scharen von kurzberockten Anhängerinnen des grünen Sportes nach ihren Bällen. Ja mei, wenn's Spaß macht...
Über kurviges Geläuf geht es wieder den Berg hinab, unter der Autobahnbrücke durch und dann am Freibad Eschbachtal vorbei, wo sich noch einige Unendwegte dem kühlen Nass hingeben. Die Strecke mit unterschiedlichen Belägen und Kurvenradien dient nochmal zum ausloten des Fahrwerks und bestätigt den auch schon zuvor vermittelten Endruck. Das Fahrwerk ist auf den ersten Blick recht straff abgestimmt, ohne allerdings unangenehme Härte aufkommen zu lassen. Das ist mir bei allen gefahrenen Bikes aufgefallen, die Fahrwerke sind alle recht straff ausgelegt mit mehr oder weniger gelungenen Abstimmungen. Während bei langsamer Fahrt Fahrbahnunebenheiten, Teerflicken und Schlaglöcher von der NC noch recht deutlich vermittelt werden, nimmt diese Eigenschaft mit zunehmender Geschwindigkeit deutlich ab. Jetzt werden die Fahrbahnmakel einfach weggebügelt, die Federelemente reagieren deutlich sensibler und souveräner. Kurzum, das Fahrwerk der NC macht in dieser Fahrzeugklasse richtig Spaß und ist deutlich besser abgestimmt als beispielsweise das der Yamaha Tracer 700. Die Sitzposition ist auf beiden Maschinen sehr ähnlich, aufrecht, mit offenen Kniewinkel und breitem Lenker, wobei die NC ein klein wenig vorderradorientierter wirkt, der Knieschluß paßt dank optimaler Einbuchtungen im Tank ausgezeichnet. Apropos Tank, genaugenommen handelt es sich hier um eine Tankattrappe, in der sich ein 22 Liter großes Staufach befindet. Der eigentliche Tank hat mit etwa 14 Litern seinen Platz unter der Soziasitzbank gefunden. Das erinnert mich an die frühere Werbung eines großen deutschen Automobil Herstellers mit den vier Ringen: "wo ist der Tank...?"
Die NC750X mit DSG-Getriebe ist mit 229 kg zwar kein Leichtgewicht und deutlich schwerer als die anderen gefahrenen Bikes, aber rollt die Fuhre einmal, ist davon nichts zu spüren und die Honda läßt sich spielend leicht einlenken und umlegen. Vom Fahrwerk und Handling ist die NC wirklich top und macht kräftig Spaß, nicht nur in der Preis/Leistungsrelation.
Die Bremsen machen das, was sie sollen, sie bremsen, nicht mehr oder weniger. Der hintere Einkolbenstopper hatte so gut wie keine Bremswirkung, ob sie vor meiner Testfahrt überhaubt mal benutzt wurde weiß nur der Wind, der den Bremsstaub weggetragen hat. Vorne ist eine 320 mm große Scheibe mit Doppelkolben auf der rechten Radseite zu finden, sie bremst die NC ordentlich ab, ohne jetzt Bestwerte zu setzen, paßt aber schon. Ob die eine Scheibe bei Dauerbelastung in den Alpen reicht vermag ich nicht zu sagen, wird sich auch erst vorort abschließend klären lassen.
Die Sitzbank paßt zur Sitzposition und ist durchaus als bequem zu bezeichnen, insbesonders, da mich am Wochenende die Hexe ins Kreuz geschossen hat. Aber weder Fahrwerk und Bank gaben Anlaß zur Kritik und die hinterhältige Hexe blieb während der Probefahrt in ihrem Knusperhäuschen. Kurz vor Rückgabe des Fahrzeugs habe ich die Maschine noch vollgetankt, nach etwa 130 km Probefahrt paßten 4,53 Liter Kraftstoff ins Heck, ein absolut erstaunlicher Wert.
Fazit:
Zusammenfassend kann ich sagen, das ich von der NC mit DSG durchaus beeindruckt war, Das Handling ist klasse, das Fahrwerk in dieser Fahrzeugklasse wirklich gut und auch der akustisch auf V2 getrimmte, drehmomentorientierte Motor ist mit seinem angenehmen dumpfen Klang nicht von der schlechten Sorte. Allerdings muß man beherzigen, das hier bei etwa 6.000 Touren Zapfenstreich ist, also dort, wo normalerweise die Kapelle erst zu spielen anfängt. Das muß man wissen und auch wollen, dann kann man auch ein 55 PS Moped zügig und mit Spaß bewegen. Ein echter Kritikpunkt ist das überfrachtete, viel zu kleine farbige Display, das sich bei normalem Tageslicht sehr schlecht einsehen läßt und auch auf zu engem Raum viel zu viele kleine Anzeigen bereitstellt.
Hätte die NC 20-25 PS mehr und eine zweite Bremsscheibe, wäre sie ein ernstzunehmender Kandidat, aber auch so erklärt sich, warum die NC-Familie Hondas meistverkauftes Modell ist.
Die Afrika Twin habe ich mir natürlich auch angesehen, ist aber nicht das, was ich will, zu groß und zu schwer.