TEIL 1
Hallo zusammen,
sensationell, was Honda mit der neuen VFR 1200 F DCT auf die Beine gestellt hat. Damit erreicht das Motorradfahren eine neue Dimension. Noch nie in 42 Jahren Motorradfahren hat mich eine Maschine außerhalb der Rennstrecke so begeistert wie diese. Im Einzelnen:
Anfang März habe ich in diesem Forum (Erste eigene Eindrücke mit neuer VFR 1200 F) meine ersten Eindrücke mit der normalen VFR 1200 F geschildert. Am 18 Juni, nach 3 ½ Monaten, habe ich sie – wie von Anfang an geplant – für einen sehr fairen Aufpreis gegen die DCT-Version ausgetauscht. Honda Deutschland und Honda Hellenbrand in Neuwied haben sich wiederum außerordentlich bemüht, mir die Maschine möglichst früh nach der Vorstellung der DCT-Version, die Anfang Mai war, auszuliefern. Der Honda Deutschland Motorradvertriebsleiter hat sogar persönlich bei mir angerufen, um sich danach zu erkundigen, dass alles klappt. Das hat es!
Mein „Freundlicher“, Honda Hellenbrand in Neuwied, hat wieder einen ausgezeichneten Job gemacht und mir u. a. dazu verholfen, mein bisheriges Nummernkennzeichen behalten zu können (dann sieht meine Umgebung nicht, dass ich schon wieder eine Neue habe …). Die Maschine war am Freitagnachmittag tip-top zur Abholung bereit und nach einer Einweisung und kurzen Probefahrt auf dem Firmenparkplatz konnte ich zur ersten ausgiebigen Runde, die aufgrund meiner wachsenden Begeisterung länger wurde als geplant, losfahren.
Bevor ich in die Details gehe, erscheint es mir angesichts der ganzen Diskussion um das Thema Automatikgetriebe, die mich sehr an die ebenfalls recht emotional geführte Diskussion um das ABS erinnert, wichtig, ein paar persönliche Bemerkungen zur Einleitung zu machen: Ich fahre seit 42 Jahren unter Ausnutzung der gesamten Reifenlauffläche recht sportlich Motorrad und seit 33 Jahren Auto; das letztere zumeist mit sportlichen Fahrzeugen der Marken BMW, Mercedes und Audi, aber stets mit Automatikgetriebe. Mir wäre es nie in den Sinn gekommen, ein Fahrzeug mit Schaltgetriebe fahren zu wollen.
Jeder mag selbst in sich schauen und seine individuellen Gründe erkennen, warum er Motorrad fährt und was ihn daran begeistert und anspornt. Meine nicht nachlassende Begeisterung rührt seit meinem 11. Lebensjahr in der Art der Bewegung, insbesondere die Kurvendynamik, dem Spiel mit dem Gleichgewicht und der unmittelbaren Konfrontation mit Wind und Wetter. Ich bin also nie des Schaltens wegen Motorrad gefahren, und es war auch nie ein Spaßfaktor, eher auf langen kurvenreichen Strecken eine Spaßbremse. Schalten war und ist für mich immer nur eine altmodische Pflicht, die meine linke Hand häufig übermäßig strapaziert. Ich kann dem schlicht nichts abgewinnen – nur bislang gab es keine wirkliche Alternative für Sportfahrer.
Die Besonderheiten der Fahrdynamik des Motorrades gerade in Kurven aller Art hat es mitgebracht, dass es bislang für sportliche Motorräder - ähnlich wie zuvor beim ABS - kein Automatikgetriebe gab. Auch beim ABS hat die Fahrdynamik des Motorrades, gerade im Falle von Supersportlern, den Einbau von ABS lange hinausgezögert. Erst mit der Fireblade des Jahrgangs 2009 ist es Honda gelungen, die damit zusammenhängenden Herausforderungen (insbesondere die Überschlagneigung wegen des kurzen Radstandes) in einer Exzellenz zu lösen, dass das ABS der Fireblade auch bei professionellen Motorradtestern als Referenz gilt – und zwar auch im Vergleich zur ansonsten z. Zt. offenbar unschlagbaren BMW S 1000 RR.
Wie Vergleichstests zeigen, gelingt es allenfalls professionellen Rennfahrer bei trockener Straße ohne elektronisch geregeltes ABS geringfügig bessere Bremsergebnisse hinzulegen, ohne dass sich allerdings ihre Rundenzeiten mit oder ohne ABS unterscheiden. Und beim nicht-professionellen Hobbyracer werden die Rundenzeiten sogar besser. Eine ähnliche Entwicklung wird man wohl auch bei der Traktionskontrolle und eben auch bei der Nutzung von Doppelkupplungsgetrieben erwarten können.
Einen Überblick zum Thema Automatik beim Motorrad findet man hier: http://www.motorradonline.de/de/motorraeder…automatik/91742
http://www.motorradonline.de/de/motorraeder…vversion/139238
Ich selbst habe mal die Moto Guzzi 1000 I Convert (erschienen 1975; Test siehe http://www.mgcn.nl/dameijer/html/testmgv1000i.htm) und 2008 die Yamaha FJR 1300 (bei der per Schaltknopf oder Druck auf den Ganghebel vermittels einer elektrisch gesteuerten Kupplung die Gänge gewechselt werden; also eine Art Schaltautomat) getestet; beide sind als Tourenmaschinen kein Ausbund an Sportlichkeit (auch wenn die Yamaha dem Konzept des "Roadsport" schon recht nahe kommt), sondern eher im Gegenteil prädestiniert für gemütliches bzw. touristisches Fahren. Mit anderen Worten, bislang haben sich sportliches Fahren und Automatik bei Motorrädern gegenseitig ausgeschlossen.
Mit dem Erscheinen der VFR 1200 F DCT gibt es nun endlich auch für pointierte Sportfahrer, die allerdings aufs Schalten keinen Wert legen, eine perfekte Lösung. Es handelt sich auch in der DCT-Version der VFR 1200 F um ein Sportmotorrad. Schon auf den ersten 100km habe ich die volle Reifenbreite genutzt und beidseitig die „Angstnippel“ an den Fußrasten deutlich verkürzt.
Wenn man, wie ich, ein überaus positives Verhältnis zum Automatikgetriebe hat, ist ein Traum in Erfüllung gegangen: Motorradfahren pur, und zwar in allen Disziplinen. Für die, die das noch nicht gewohnt sind, gilt das gleiche wie beim Autofahren: Man muss es ausprobieren um zu merken, dass es tatsächlich funktioniert, und zwar perfekt: Gas auf zum Losfahren, Gas zurück oder bremsen zum langsamer fahren oder anhalten. Alles andere regelt die Elektronik besser, weil fehlerfreier, und auch schneller als jedenfalls die allermeisten Menschen. Hier gilt das gleiche wie beim ABS bezüglich Bremsen, was allenfalls professionelle Rennfahrer besser beherrschen als ein elektronisch geregeltes System.
DCT ist eine höchst perfekte Technologie zum verlustfreien automatisierten Wechseln von (ansonsten weiterhin herkömmlichen) Getriebegängen, die das sportliche Fahren geradezu fördert. In meinen Augen, um die Zusammenfassung gleich an den Anfang zu stellen, ist die DCT sogar die insgesamt deutlich sportlichere Variante der VFR 1200 F. Die Begründung für diese Einschätzung ergibt sich aus den folgenden Erläuterungen:
1) Anfahren
Man startet die Maschine fast wie bisher – allerdings fehlt der Kupplungshebel, den man daher auch nicht ziehen kann (auch wenn die Finger am Anfang etwas zucken, insbesondere beim Heranfahren an eine rote Ampel). Also Schlüssel reinstecken, nach rechts drehen und Starterknopf drücken. Sofort ist das auf- und anregende V4-Brabeln zu hören. Einen kleinen Moment muss gewartet werden, bis der notwendige Öldruck aufgebaut ist und ein entsprechendes Zeichen im Display erlischt, bevor man per Wipp-Schalter auf der rechten Seite des Lenkers das Getriebe von „N“ für Neutral in „D“ für normalen Dauerfahrbetrieb schalten kann. Auf Wunsch kann der Wipp-Schalter durch erneutes Betätigen auf die Stellung „S“ für Sport in den Sportmodus oder auch wieder zurück auf „D“ gebracht werden.
Zum Anfahren wie üblich Gas geben, sonst nichts: Die Maschine beschleunigt unmittelbar im Verhältnis zur Geschwindigkeit, mit der der Gasgriff gedreht wird, und tut dies im Zweifel bis zum Anschlag ohne jede Unterbrechung. Das Thema Schalten kann man völlig vergessen und sich auf den Verkehr und all das konzentrieren, was man am Motorradfahren mag.
Ach, ja, bevor man losfährt sollte man darauf achten, den Hebel der Feststellbremse auf der linken Seite mit Hilfe eines gleich daneben angeordneten Druckknopfes zu lösen. Beim Abstellen des Motorrades auf abschüssigem Gelände empfiehlt es sich, die Feststellbremse einrasten zu lassen, da ja kein Gang drin ist. Beim Starten des Motorrades erscheint eine Warnleuchte, falls die Feststellbremse nicht gelöst ist. Fährt man wie ich einmal gleichwohl los, geht das zwar auch, allerdings recht gehemmt, weswegen man nach einem Kontrollblick aufs Display schnell daran erinnert wird.
TEIL 2 folgt